cognitio: Kognitions- und neurowissenschaftliche Beiträge  
zur natürlichen Sprachverarbeitung

Herausgeber:

Georges Lüdi (Basel), Michael Schecker (Freiburg), Martin Riegel (Strasbourg)

Band 2: 

Günter Kochendörfer: Neuronale Modelle des Sprachverstehens.
Freiburg: HochschulVerlag 1997. 316 S., DM 76.- ISBN 3-8107-6702-6 

 

In diesem Buch werden neuronale Simulationsmodelle konstruiert, die sich stärker als die bekannten "künstlichen neuronalen Netze" an den biologischen Realitäten orientieren. Diese Herangehensweise hat überraschend positive Konsequenzen für die Erklärung von Grundphänomenen der Sprachverarbeitung und erlaubt es, eine breite Palette komplexer Sprachverarbeitungsprozesse im Bereich des Lexikons, der Syntax und des Textverstehens modellhaft zu realisieren. Es handelt sich dabei um Prozesse, die bisher kaum andeutungsweise in neuronalen Simulationen bewältigt werden konnten. Darüber hinaus wird gezeigt, wie die vorausgesetzten neuronalen Verarbeitungsstrukturen durch Lernvorgänge aufzubauen sind und wie die z. B. für ein modernes Verständnis von Semantik ("Prototypensemantik") wichtigen unscharfen Kategorisierungen zustandekommen.

Von den so modellierten Sprachverarbeitungsprozessen her ergibt sich ein vertieftes Verständnis für die Funktion des menschlichen Gehirns insgesamt, für Gedächtnis, Repräsentationsformen, Kohärenzkontrolle und allgemeine Verarbeitungsstrategien. Es ist deshalb zu erwarten, daß auf dieser Grundlage nicht nur die Linguistik (einschließlich der Sprachpathologie), sondern das gesamte Spektrum der Kognitionswissenschaften (Informatik, Biologie, Neurologie, Psychiatrie, Psychologie, Philosophie) zu neuen Perspektiven gelangen wird.

Inhalt

Vorwort

1 Modelle: Grundlagen der Modellbildung
1.1 Der Modellbegriff
1.2 Korrektheit und Vollständigkeit von Modellen
1.3 Modellhierarchien. Informationsgehalt und empirische Fundierung von Modellen
1.4 Modellserien. Erklärungsleistung von Modellen
1.5 Der Wert der Modellbildung und Simulation für die kognitive Linguistik

2 Modularität: Module, Repräsentationen und Zugriffsprozesse
2.1 Ein abstraktes, allgemeines modulares System
2.2 Eigenschaften symbolmanipulierender Systeme
2.3 Die These vom symbolverarbeitenden Charakter und der modularen Struktur der natürlichen Intelligenz
2.4 Die Igelmetapher
2.5 Schlußbemerkung: Über die Unmöglichkeit des Datentransports im Gehirn

3 Netze: Künstliche neuronale Netze und Biologie
3.1 Künstliche Neuronen
3.2 Biologische Neuronen
3.3 Simulation "biologischer" neuronaler Netze
3.4 Grundprobleme beim Versuch der "Präzisierung" konnektionistischer Modelle
3.5 Schlußfolgerungen

4 Lexikon: Lexikonabgleich und Lexikonstruktur
4.1 Lautsequenzen
4.2 Vagheit, Unterdeterminiertheit und Ambiguität
4.3 Phonologische Prozesse
4.4 Die Lexikonstruktur
4.5 Simulation des Lexikonabgleichs
4.6 Ergänzende Überlegungen, Folgerungen

5 Lernen: Lernprozesse und Spracherwerb am Beispiel des Lexikons
5.1 Überlegungen zum Begriff des Lernens
5.2 Instanzen
5.3 Lernen von Instanzen
5.4 Simulationsexperimente zum Aufbau von Instanzen
5.5 Lernen von Sequenzen
5.6 Simulationsexperiment zum Lernen lexikalischer Ausdrucksseiten
5.7 Verknüpfung von lexikalischen Ausdrucksseiten mit Bedeutung
5.8 Simulation des Lexikonerwerbs
5.9 Konsequenzen

6 Syntax: Ein prototypischer Parser für syntaktische Strukturen gesprochener Sprache
6.1 Das Problem der Sequenzdarstellung in "künstlichen neuronalen Netzen"
6.2 Sequenzdarstellung mit "biologischen" Neuronen
6.3 Sequenzen von Konstituenten
6.4 Input und Output der syntaktischen Analyse
6.5 Kongruenzphänomene
6.6 Parser zur Analyse schriftsprachlicher Sätze
6.7 Parser zur Analyse von Strukturen gesprochener Sprache
6.8 Folgerungen

7 Prototypen: Prototypensemantik im neuronalen Modell
7.1 Instanzenbildung als grundlegendes neuronales Verarbeitungsprinzip
7.2 Ein Simulationsexperiment mit überraschenden Ergebnissen
7.3 Vergleich mit prototypensemantischen Konzepten
7.4 Ein einfaches Anwendungsbeispiel
7.5 Schlußfolgerungen

8 Kohärenz: Textkohärenz, Textsemantik und Textverstehen
8.1 Kohärenz als Eigenschaft des Verstehensprozesses
8.2 Grundlegende Strukturen
8.3 Simulation von Top-down-Verbindungen und Watchdog
8.4 Prädikate und propositionale Instanzen
8.5 Simulation der Bildung propositionaler Instanzen
8.6 Zentralität und Aufbau des Gedächtnisses
8.7 Simulation der Kohärenzherstellung
8.8 Störung der Kohärenz
8.9 Mängel und Perspektiven

9 Produktion: Sprachverstehen und Sprachproduktion, "Fischers Fritz fischt frische Fische"
9.1 Erster Entwurf eines Produktionsmodells
9.2 Entwicklung einer neuronalen Struktur zur Produktion (und Perzeption) lexikalischer Ausdrucksseiten
9.3 Fischers Fritz fischt frische Fische: Produktion von Sequenzen aus Sequenzen
9.4 Fischers Fritz fischt frische Fische: Sprechgeschwindigkeit und Versprecher
9.5 Schlußbemerkungen

10 Zeichen: Grundprinzipien der Sprachverarbeitung
10.1 Apparative Grundlagen
10.2 Zuordnung von "Ausdruck" und "Inhalt"
10.3 Arbitrarität
10.4 Linearität
10.5 Regelhaftigkeit und Redundanz

Literatur