cognitio: Kognitions- und neurowissenschaftliche Beiträge 
zur natürlichen Sprachverarbeitung

Herausgeber:

Georges Lüdi (Basel), Michael Schecker (Freiburg), Martin Riegel (Strasbourg)

Band 9:

Christian Hock, Michael Hüll & Michael Schecker (Hgg.): Die Alzheimer Krankheit
"cognitio" 9 - Tübingen: Gunter-Narr-Verlag (2000), ISBN 3-8233-5736-0

Vorwort

Geschichte wird von Menschen gemacht, - entsprechend läßt sie sich z.B. nach Kriegen ordnen. Oder wir orientieren uns an technischen Neuerungen und wirtschaftlichen Entwicklungen, - danach würden wir in einer Zeit der 'Globalisierung' wirtschaftlicher Aktivitäten und/oder der 'Neuen Medien' leben. Die Geschichte unserer westlichen Zivilisationen läßt sich aber auch nach Krankheiten ordnen, - nach den Infektionserkrankungen und Seuchen früherer Jahrhunderte sind Krankheiten wie Krebs und Aids in unserem heutigen öffentlichen Bewußtsein alltäglich gegenwärtig.

Und die Alzheimer Krankheit? Eine Erkrankung, die sicherlich keinerlei vorgezogenes Altern bedeutet, die aber dank ihrer langen Vorlaufzeit in der Regel erst im Alter symptomatisch in Erscheinung tritt. Und eine Erkrankung, die mit der steigenden Lebenserwartung explosionsartig zunimmt: Katzmann 1994 geht davon aus, daß sich die Zahl der symptomatisch in Erscheinung tretenden Fälle ab dem 65. Lebensjahr alle fünf Jahre verdoppelt.

Volkswirtschaftlich gesehen müssen wir die mit dem steigenden Lebensalter drastisch zunehmende Zahl an Erkrankungen kombinieren mit der Dauer, die sicherlich sehr stark variiert, die wir jedoch im Durchschnitt mit etwa 6 bis 10 Jahren ansetzen können. Zusammengenommen kommt auf diese Weise auf die Gesellschaft eine Kostenlawine zu, die ihresgleichen sucht, - in der Presse ist verschiedentlich vom "Pflegegau" die Rede gewesen.

Die hier versammelten Beiträge versuchen einen ganzheitlichen Überblick über Erscheinungsbild und Verlauf der Alzheimer Krankheit zu geben. Sie erläutern therapeutische Interventionsmöglichkeiten und diskutieren, was (zu welchem Zeitpunkt) an pflegerischen Maßnahmen und an Betreuung sinnvoll und notwendig ist. Und sie werben für einen vorurteilslosen, 'offenen' Umgang mit der Krankheit.

Und das auch im wissenschaftlichen Kontext: Die Komplexität des Krankheitsgeschehens erzwingt Fächer übergreifende Anstrengungen, wie sie in der Bezeichnung "neurowissenschaftlich" zum Ausdruck kommen: Hier sind Disziplinen vereinigt wie die Neurologie und Psychiatrie, die Geriatrie, aber auch die Neurobiologie, die Neurolinguistik und – nicht zuletzt – die Neuroinformatik. Als ein methodischer Zugang ganz besonderen Zuschnitts hat sich dabei die Modellierung biologisch basierter neuronaler Netze erwiesen, die mit Blick auf unterschiedlichste Ausschnitte der Alzheimer Symptomatik für Simulationsexperimente genutzt werden.

Wir wünschen dem Band eine interessierte Öffentlichkeit nicht nur von Fachleuten. Und wir hoffen, Orientierung und Motivation bei den Betroffenen zu vermitteln, bei den Hausärzten und den professionellen Betreuern, bei den Angehörigen und bei den unmittelbar betroffenen Patienten.

 

Inhalt

Christoph Hock & Franz Müller-Spahn: Klinische Aspekte der Alzheimer-Demenz

Michael Hüll: Neurobiologische Aspekte der Alzheimer-Krankheit

Michael Schecker: Sprachverarbeitung und Kommunikationsverhalten bei früher Alzheimer Krankheit

Manohar Faupel, Silke Maisch & Gabi Möller: Kontextverarbeitung bei dementiellen Syndromen

Michael Schecker: Die Alzheimer Krankheit - ein Desynchronisationssyndrom?

Dietrich Borchardt & Michael Schecker: Stadien und Verlauf der Alzheimer-Krankheit

Petra Dykierek, Michael Hüll, E. Schramm & Mathias Berger: Interpersonelle Psychotherapie bei beginnender Alzheimer-Erkrankung

Günter Kochendörfer: Vertiefung des Verständnisses von Alzheimer-Demenzen durch Computersimulationen